Musik & Demenz

Zurück in die Lebendigkeit durch Musik

Inmitten der Herausforderungen, denen Menschen mit Demenz begegnen, gibt es erstaunliche
Möglichkeiten den Betroffenen mit individualisierter Musik den Weg zurück in ihr Leben wieder
zu öffnen – zurück in ihre reiche Gefühlswelt, in ihre Erinnerung, ja zu verloren geglaubten
Anteilen ihrer Identität.

Musik und Demenz

Musik spricht uns an, berührt uns, sie ermöglicht Kontakt und Beziehung, sie verhilft uns zu Freude und Lebendigkeit.

Musik stimuliert und weckt Gefühle, beeinflusst Wahrnehmung und Stimmung, sie öffnet die Tür zu vergessen geglaubten Erinnerungen. Musik ist in der Lage, den Menschen mit sich selber, mit seiner Geschichte in Verbindung zu bringen und sich damit in spürbarer Gegenwärtigkeit zu erleben.

Menschen mit Demenz können sich alleine kaum oder gar nicht mehr zurechtfinden, sie verlieren zunehmend den Zugang zu ihrer Identität, sie können ihre Emotionen oft nicht mehr adäquat mitteilen und ziehen sich sozial zurück. Menschen mit einer demenziellen Erkrankung zeigen häufig apathisches oder unruhiges Verhalten und weisen oft eine depressive Symptomatik auf.

Die Kraft der Musik
Musikalische Angebote helfen Menschen mit Demenz dabei, die Verbindung zu sich selbst, zu anderen, zur eigenen Lebendigkeit wieder herzustellen und tragen zum Erhalt und zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Diese Erfahrungen, zumeist innerhalb von Gruppenangeboten, teilen ambulante und stationäre Einrichtungen für Senioren bereits seit vielen Jahrzehnten.

Zu beobachten ist zum Teil auch hierbei eine erhöhte Wachheit, die sich durch Veränderung der Körperspannung zeigt bis hin zur aktiven Beteiligung im Rahmen der Möglichkeiten: mimisch oder den Takt schlagend, freudig mitsingend oder schunkelnd oder auch einfach still beglückt lauschend.

„Die Areale des Gehirns, die beteiligt sind, Musik zu speichern und darauf zu reagieren, sind durch Alzheimer oder andere Demenzerkrankungen am wenigsten betroffen“, stellt der Neurologe und Psychiater Oliver Sacks fest. Die fortschreitende Degenerierung des Gehirns scheint das Langzeit-Musikgedächtnis tatsächlich weitgehendst zu verschonen. Zu diesem Phänomen lieferte die neurowissenschaftliche Studie des Max-Planck-Instituts Leipzig und der Universität Amsterdam eine anatomische Erklärung und damit ganz wesentliche Impulse für die weitere therapeutische Nutzung von Musik.
„Warum die Musik bleibt, wenn alles andere geht“

Individualisierte Musik für Menschen mit Demenz

Viele demente Menschen sind durch musikalische Gruppenangebote aufgrund von Einschränkungen kaum oder nicht mehr zu erreichen.

Mit Individualisierter Musik (IM) lässt sich Beziehung wieder aufbauen, Kontakt und Freude erneut erleben. Das Gefühl von Aufgehobensein kann sich vermehrt einstellen und die damit einhergehende Sicherheit trägt wesentlich zu Beruhigung und Entspannung bei.

Biografisch bedeutsame Musik

Konkret bedeutet IM, die Musikbiografie eines Menschen in einem achtsamen und zugewandten Prozess in Erfahrung zu bringen und Lieblingsmusikstücke in einer persönlichen Musikliste zusammenzustellen.

Gerade die Lieblingsmusik der Jugendzeit und des jungen Erwachsenseins ist verknüpft mit positiven Erinnerungen des Aufbruchs, der ersten Liebe und des die-Welt-Erkundens. Das Hören knüpft an die Zeit vor dem Verlust der Erinnerungen an und schafft Verbindung mit dem früheren Leben und mit sich selbst. Biografisch bedeutsame Lieder zu erleben bedeutet für den Betroffenen eine Verbesserung seiner Lebensqualität, für Angehörige und Pflegepersonal stellt sich häufig Entlastung ein und ein neuer Blick auf diesen Menschen.

Es geht immer um den Kontakt zwischen den Menschen

Die Umsetzung der Idee der Individualisierten Musik (IM) von der Musikrecherche bis hin zum gemeinsamen Hören der ausgewählten Musik lässt sich als Prozess bezeichnen und erleben, in dem die Beziehung und damit die positive Wirkung signifikant verstärkt wird.
Hierbei spielt vor allem die soziale, achtsame Interaktion zwischen der Prozessbegleitung und/oder der Bezugsperson vor Ort sowie der betroffenen Person selbst, eine wesentliche Rolle.
Gemeinsames Summen, Körperkontakt, aufmerksames und an die Biografie anknüpfendes Fragen erschaffen einen kostbaren Resonanzraum. Anstelle von Hilflosigkeit und Ohnmacht im Kontakt eröffnet sich für alle Beteiligten ein neues Feld an Möglichkeiten und manchmal ein staunender Blick auf den Menschen, sein Wesen und seine ungeahnten Facetten. Dies bestätigen Erfahrungen in einer Vielzahl von Pflegeeinrichtungen weltweit.

Von zentraler Bedeutung ist erfahrungsgemäß, dass der gesamte IM-Prozess sorgsam ein- und durchgeführt und somit gefestigt ist. Denn dies bietet weiterführende Möglichkeiten sowohl für Mitarbeitende als auch für Angehörige. Dieser Prozess ist so viel mehr als die Playliste selbst. Durch ihn kann sich tatsächlich eine andere Kontakt- und Kooperationsqualität einstellen, was immer Lebensqualität erhöht und eine vertiefte Verbindung in verschiedenen Beziehungen bedeutet.
Es wird in Folge von einer teilweise deutlichen Erleichterung im Pflegealltag berichtet.

Die Individualisierte Musik bietet gerade auch durch die zeitlich flexible Einsatzmöglichkeit, ganz unabhängig von Gruppenangeboten und Veranstaltungen, erweiternde Möglichkeiten. Zudem verhilft das Lauschen über Kopfhörer zu einem ganz privaten, persönlichen Raum, der stärkt, erfreut, zentriert und überfordernde Aspekte des Alltags zurücktreten lässt.

Forschung im deutschsprachigen Raum

Die Möglichkeiten der gezielten Musikintervention wurden auch im deutschsprachigen Raum wissenschaftlich untersucht.

So widmet sich zum Beispiel die Universität Jena seit 2016 in mehreren Forschungsprojekten der Untersuchung von Wirksamkeit, Akzeptanz und Umsetzbarkeit einer individualisierten Musikhörintervention für Menschen mit Demenz. Eine große dreijährige Studie, die 2021 abgeschlossen werden konnte, erforschte unmittelbar beobachtbare Reaktionen von Menschen mit Demenz auf individualisierte Musik.
Link auf Forschung der Universität Jena

Die Universität Zürich evaluierte das Angebot „music & memory“ in einem Seniorenheim in Bern, das mittlerweile in mehreren Einrichtungen des Trägers als musikalisches Betreuungskonzept angewendet und von der Fachstelle Incanto verantwortet wird.
Link auf Forschung der Universität Zürich

Lesen zur Historie der Forschung
Mehr anzeigen +

Meine Angebote

Wenn Sie einen dementen Angehörigen haben . . .
Es ist mir ein Herzensanliegen, die Idee der Individualisierten Musik möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, seien es Angehörige oder Mitarbeitende in Einrichtungen der ambulanten, teilstationären oder stationären Seniorenarbeit, seien es Studierende oder interessierte Laien und Musikliebende.

Ich bin für Sie da . . .
Als Pädagogin und zuallererst als Mensch halte ich es für absolut bedeutsam und notwendig unserer Mitmenschlichkeit größeren Raum zu geben.

Der Einsatz der persönlichen Musikliste schenkt den Beteiligten Freude, Lebensqualität und Erleichterung.

Meine Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die sorgsame, prozesshafte Erfassung, die zur Individualisierten Musik für Menschen mit Demenz führt, von großer Bedeutung ist. Die fachliche Unterstützung bei der Einführung und Implementierung zähle ich zu meiner Kernaufgabe.
.

Background Image

Ich bin an Ihrer Seite:
Informationen für Institutionen
Mit diesem Projekt lässt sich die Bewohnerin wirklich erreichen.“
Betreuungsassistentin und Musikpädagogin in einem Seniorenheim

Informationen für Privatpersonen
Ich fühle mich absolut hilflos und weiß nicht, wie ich Zugang finden kann zu ihm. Er ist wie in einer anderen Welt.“
Ehefrau eines demenziell erkrankten Mannes

Zusammen

das Leben durch die Kraft der Musik verändern

Studien zu dem Thema Musik & Demenz*

*Aus dem Englischen Übersetzt

Musik und Gedächtnis in der Demenzpflege

Eine 2017 im International Journal of Neurorehabilitation veröffentlichte Studie unter der Leitung von Deepa Vinoo von New York City Health + Hospitals untersuchte die Auswirkungen von persönlicher Musik auf 108 Bewohner von vier Memory Care-Einheiten in einer Langzeitpflegeeinrichtung mit 815 Betten. Alle Bewohner der vier Abteilungen wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren hinsichtlich der Nutzung von Music & Memory, der Verwendung von Antipsychotika, körperlicher Auseinandersetzungen und Stürzen untersucht. Das Musik- und Gedächtnisprogramm war Teil einer Reihe von Verbesserungen der Gedächtnispflege in der Einrichtung. Am Ende des Studienzeitraums war ein signifikanter Rückgang der Überweisungen von Bewohnern in die psychiatrische Notaufnahme wegen verhaltensbedingter und psychologischer Symptome der Demenz (BPSD) zu verzeichnen, ebenso wie ein signifikanter Rückgang von Stürzen und körperlichen Auseinandersetzungen und ein daraus resultierender Rückgang der Überweisungen in Akutkrankenhäuser zur weiteren Behandlung. Die Zahl der Eins-zu-Eins-Beobachtungen ging im gleichen Zeitraum von fünf auf eine zurück. Mehr lesen.

Musik aktiviert Hirnregionen, die von Alzheimer verschont bleiben

Eine Studie vom April 2018 berichtet, dass „objektive Beweise aus der Bildgebung des Gehirns zeigen, dass persönlich bedeutungsvolle Musik ein alternativer Weg für die Kommunikation mit Alzheimer-Patienten ist.“ Die von einem Team der University of Utah Health in Salt Lake City im Journal of Prevention of Alzheimer’s Disease veröffentlichte Studie zeigt, dass vertraute Musik Aufmerksamkeit, Belohnung und Motivation fördern kann, was wiederum die Bewältigung emotionaler Belastungen bei Alzheimer erleichtert. Auch wenn die geringe Stichprobengröße der Studie und die einzelnen Bildgebungssitzungen noch Raum für weitere Forschungen lassen, sind die Ergebnisse ein wichtiger Schritt, um zu zeigen, dass das personalisierte Musikprogramm von Music & Memory ein therapeutischer Mechanismus ist, der eine messbare Verbesserung der Stimmung, des Bewusstseins und der Lebensqualität von Menschen mit Demenz bewirkt. Mehr lesen.

Musik & Gedächtnis und verbessertes Schlucken bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz

Schluck-, Selbsternährungs- und Erstickungsprobleme betreffen viele Menschen mit fortgeschrittener Demenz und führen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen wie Dehydrierung, Unterernährung und Gewichtsverlust (Statusveränderung). Diese Studie aus dem Jahr 2018, die in Zusammenarbeit mit Dr. Stephen Post von der Stony Brook University in Dementia: The International Journal of Social Research and Practice veröffentlicht wurde, präsentiert Daten, die zeigen, dass die persönliche Musikintervention von Music & Memory das Schlucken bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz verbessert, was die Nahrungsaufnahme erleichtert und die Abhängigkeit von Ernährungssonden und PEG-Eingriffen verringern könnte. Dies ist ein bedeutsamer Befund auf Pilotebene, der so aussagekräftig ist, dass er eine weitere Wiederholung rechtfertigt. Mehr lesen.

Eine individualisierte musikbasierte Intervention zur Behandlung akuter neuropsychiatrischer Symptome bei Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen

Neuropsychiatrische Symptome sind häufige Merkmale der Demenz und treten bei drei Vierteln der Patienten auf psychogeriatrischen Stationen auf. Diese Symptome werden traditionell mit pharmakologischen Mitteln behandelt, aber viele Medikamente schaden Demenzkranken eher, als dass sie ihnen helfen. Daher werden zunehmend nicht-pharmakologische Interventionen untersucht, um diese Symptome zu verringern. Diese 2018 von der University of Kansas School of Medicine veröffentlichte Studie kommt zu dem Schluss, dass Unruhe, negative Stimmung und positive Stimmung alle von der musikbasierten Intervention profitierten, mit entsprechend großen Effektgrößen. Mehr lesen.

Musikintervention zur Vorbeugung von Delirium bei älteren Patienten, die in eine Unfall-Intensivstation und eine orthopädische Unfallstation eingeliefert wurden

Ein Delirium, das infolge eines Krankenhausaufenthalts auftritt, stellt für ältere Patienten ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar. In einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 40 Patienten im Alter von 55 Jahren und älter untersuchte Dr. Kari Johnson, PhD, RN, ACS-BC von Honor Health in Scottsdale, Arizona, die Auswirkung von vorab aufgezeichneten, selbst ausgewählten Musik-Playlists auf die Vitalparameter von Traumapatienten und bewertete deren Verwirrtheit. In der Musikinterventionsgruppe kam es zu einer statistisch signifikanten Verringerung der Herzfrequenz und des systolischen Blutdrucks, während sich in der Kontrollgruppe keine Veränderungen ergaben, was darauf hindeutet, dass die Intervention dazu beigetragen hat, die Angst der Patienten zu verringern – eine wichtige Vorstufe zum Ausbruch eines Delirs. Die Studie wurde in der August-Ausgabe 2018 der Zeitschrift Intensive and Critical Care Nursing veröffentlicht. Mehr lesen

Individualisiertes Musikprogramm führt zu besseren Ergebnissen bei dementen Pflegeheimbewohnern in den USA

Eine Studie der Brown University aus dem Jahr 2017, die im American Journal of Geriatric Psychiatry veröffentlicht wurde, vergleicht das Verhalten und die psychologischen Ergebnisse der Bewohner vor und nach der Einführung des Programms Music & Memory. Achtundneunzig Pflegeheime, die in Music & Memory geschult wurden, wurden zusammen mit 98 Vergleichspaaren für das Jahr 2012-2013 untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Absetzung von antipsychotischen Medikamenten in den Music & Memory-Einrichtungen zunahm (von 23,5 % auf 24,4 %), während sie in den Vergleichseinrichtungen zurückging (von 24,8 % auf 20,0 %). Einrichtungen, die Music & Memory einsetzen, wiesen auch höhere Raten bei der Verringerung von Verhaltensproblemen auf (von 50,9 % auf 56,5 %) als Vergleichseinrichtungen (von 55,8 % auf 55,9 %). Die Schlussfolgerung für die Praxis lautet, dass „wirksame, nicht medikamentöse und kostengünstige Interventionen wie Music & Memory entscheidend sind, um den Bedürfnissen der wachsenden ADRD-Population gerecht zu werden“. Mehr lesen.

Nach oben scrollen